Sicherheit an öffentlichen Orten – Gefährdung durch Drogenhandel und -konsum | Resolution der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin vom 5.9.2023

06.09.2023 | Die Beispiele des Görlitzer Parks und des Leopoldplatzes zeigen, dass im Zusammenhang mit Drogenhandel und -konsum eine besondere Gefährdung der Sicherheit an öffentlichen Orten Berlins entstanden ist. Dabei geht es nicht um harmlose „Kifferromantik“, sondern um gezieltes Abhängigmachen von harten Drogen.

Darum geht es:

  • Crack ist eine sich rasant verbreitende zusätzliche Herausforderung, da die Substanz ein sehr hohes Abhängigkeitspotential und starke gesundheitliche Folgen hat.  Zunehmender Crackkonsum in Berlin und anderen europäischen Metropolen ist unter anderem eine Folge des deutlich gestiegenen Kokainschmuggels nach Europa, Handels- und Konsumschwerpunkte in Berlin liegen nach bisherigen Erkenntnissen  unter anderem am Leopoldplatz und im Görlitzer Park , im Wrangelkiez und im Kungerkiez.

  • Drogenhandel findet an vielen Orten der Stadt statt. Der Görlitzer Park ist aber besonders von Begleitkriminalität (also allen Delikten, die nicht Drogenhandel oder Aufenthaltsverstöße sind) betroffen und verursacht deshalb auch ein Vielfaches der Einsatzstunden der Polizei, die beispielsweise am Gleisdreieck anfallen (dieses Jahr bisher ca. 70.000 zu 1.400 Stunden).

  • Polizeiliche Maßnahmen allein werden das Problem nicht lösen, das hat schon der damalige Innensenator Henkel bewiesen. Sicherheit wird auch nicht allein durch Polizei „produziert“, sondern zusammen mit Gestaltungselementen öffentlicher Räume und Präventionsarbeit. Prävention, Intervention und Repression ist der Dreiklang erfolgreicher Sicherheitspolitik, nicht der Einsatz repressiver Mittel allein. Außerdem muss stets mitgedacht werden, dass nicht nur räumliche Verdrängungseffekte eintreten.

  • Friedrichshain-Kreuzberg (inkl. der ehemaligen und der aktuellen Bezirksbürgermeisterin) muss sich seiner eigenen Verantwortung stellen. Dazu gehört, dass neben Touristinnen und Touristen und in anderen Bezirken wohnenden Menschen auch die Drogennachfrage der in Kreuzberg ansässigen Bevölkerung als Ursache für das Drogenangebot benannt wird. Begleitkriminalität und Unsicherheitsgefühl im Park wird auch durch die Drogennachfrage mit ausgelöst. Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen und Suchtdruck gilt es mit einem Bündel aus Maßnahmen zu erreichen, um sicheren Konsum und ein Absinken der Nachfrage zu erzielen.

Das ist zu tun:

  • Probleme ehrlich benennen:
    1. Nicht nur das Drogenangebot schafft eine Drogenproblematik nebst Begleitkriminalität, sondern auch die Drogennachfrage von Berlinerinnen und Berlinern sowie Touristinnen und Touristen. Wenn nichts gekauft würde, gäbe es keinen Drogenhandel und keine Begleitkriminalität – diese Erkenntnis gilt auch für alle Menschen, die sozial akzeptiert illegal Cannabis erwerben und konsumieren.
    2. Auch geduldete Geflüchtete müssen mangels einer Arbeitserlaubnis nicht kriminell werden, sondern können wie andere Geflüchtete und weitere sozial benachteiligte Personenkreise vorübergehend von Transferleistungen leben. Wir wissen aus der Vergangenheit dass die schwächsten Gruppen benutzt werden um die sog Endverbraucher-Dealerei für die oraanisierte Kriminalität im Hintergrund zu machen. Hier spielen auch Zahlungsverpflichtungen gegenüber kriminellen Schleuserbanden und Finanzierung eigenen Substanzkonsums eine relevante Rolle. Die Strukturen der organisierten Kriminalität „hinter“ diesen Kleindealern müssen gesehen und angegangen werden. Fakt ist auch, dass das deutsche Recht weiterhin auf alle Kriminellen angewandt wird und das keine Ausnahmen stattfinden werden oder können.

  • Um der Problematik entgegenzutreten, setzen wir auf den Dreiklang von Prävention, Intervention und Repression: Nicht nur die Polizei oder nicht nur Sozialarbeit wird zu einer Verbesserung der Situation führen. Wir wollen ein Gesamtkonzept für besonders belastete Orte und eine ressortübergreifende berlinweite Strategie.

  • Drogenkonsumräume sind nicht nur zahlenmäßig auszuweiten, sondern insbesondere die Öffnungszeiten zu erweitern. Kritisch ist dabei nicht nur die finanzielle Ausstattung (auch im Doppelhaushalt 2024-25 Bestandteil des IGPP und öffentlich noch nicht aufgeschlüsselt), sondern vor allem die Verfügbarkeit von Mieträumen und Fachpersonal.

  • Drogentherapie- und -substitutionsangebote müssen auch Menschen ohne Krankenversicherungsschutz erreichen. Dazu könnte das Angebot der Clearingstelle für Nichtversicherte ausgeweitet werden und die Vermittlung in Regelangebote zu Lasten des Behandlungsfonds ermöglichen.

  • Mobile Sozialarbeit ist auszuweiten und zu verstetigen; regelmäßige Ansprache von Konsumentinnen und Konsumenten wie auch der Händlerinnen und Händler ist wichtig, aber auch die Rückeroberung öffentlichen Raums beispielsweise durch intensive Sport- und Kulturangebote auch in Tagesrandzeiten.

  • Sonderproblem Leopoldplatz: Da es hier gerade zur Einrichtung mobiler Drogenkonsum­räumlichkeiten gekommen ist, ist die Frage des oder der Standorte dieser Angebote in der Mikrolage zu hinterfragen und ein Gesamtkonzept für den Platz zu entwerfen. Detaillierte Lösungsvorschläge werden von einem Runden Tisch erwartet, den die Innensenatorin koordinieren wird.

  • Im Görlitzer Park geht es auch um umweltschonende Parkbeleuchtung und regelmäßigen nachhaltigen Pflanzenschnitt (Sichtachsen, Drogenverstecke). Der mit der Parkreinigung beauftragten BSR muss es erleichtert werden, gefundene Drogendepots unter Aufsicht der Polizei auszuräumen.

  • Wir wollen eine befristete nächtliche Parkschließung durchführen., wobei aber mögliche Verdrängungseffekte des Drogenhandels nachts in den Wrangelkiez und andere Standorte zu beachten sind. Eine Schließung ist absolut vorstellbar, aber deren allgemeine Akzeptanz auch sehr stark abhängig davon, zu welchen Uhrzeiten die Schließzeit gelten soll (Schließzeit Tempelhofer Feld beginnt beispielsweise jahreszeitabhängig zwischen 17 und 23h, für den Görli erscheint das eher früh)

  • Videoüberwachung wird nur eine Nebenrolle spielen können, da sie erfahrungsgemäß nicht flächendeckend für eine große Fläche realistisch ist. Erfahrungen bei der BVG zeigen, das Sicherheitspersonal auch bei durchgeführter Videoüberwachung eine wichtige Rolle spielt (dort 250 Sicherheitskräfte mit durchschnittlich 2.344 Einsatzstunden pro Tag im Jahr 2022). Erfahrungsgemäß verhindert Video keine Straftaten, sondern erleichtert die Feststellung von Tatverdächtigen. Die Berliner Koalition plant eine Rechtsgrundlage für temporäre und anlassbezogene Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Görlitzer Park und dem angrenzenden Wrangelkiez.

  • Langfristige andere Drogenpolitik (Bundespolitik!): Sowohl die Teillegalisierung von Cannabis als auch die  Überarbeitung des Betäubungsmittel­gesetzes und ein Konzept von staatlich kontrollierter Abgabe von Drogen an Suchtbetroffene  könnten von Bundesebene die Voraussetzungen ändern und illegale Kartelle abdrängen. Wichtig ist, den Fehler der Niederlande zu vermeiden und nicht auch die Produktion und Distribution unter staatliche Kontrolle zu nehmen.

  • Selbstverständlich ist auch weiterhin eine intensive Bestreifung des Parks durch die Berliner Polizei erforderlich, hier sind aber Fragen an die Wirksamkeit gegen den Drogenhandel zu stellen – denn: Auch in anderen Parks gibt es mindestens illegalisierte „weiche Drogen“ zu kaufen (Hasenheide, Gleisdreieck), trotz eines krass niedrigeren Stundenaufwands der Polizei gibt es aber deutlich weniger Begleitkriminalität – es gibt also Unterschiede zwischen „Görli“ und Gleisdreieckpark.

  • Konsequent ist auch eine Abschiebung häufig überführter und verurteilter Drogenhändler.anzustreben. Das mag schwierig in der Durchführung sein (intensive Zusammenarbeit Polizei und Justiz, häufig Unterkünfte in Brandenburg und damit dortige Teilzuständigkeiten, Abschiebehemmnisse unterschiedlicher Art), sollte aber strukturell verfolgt werden. Es gibt eine große Integrationsbereitschaft der Berliner Gesellschaft und der überwältigenden Mehrheit der Geflüchteten. Zur Integration gehört der Wille, sich an die Strafgesetze zu halten. Daher müssen die Straftaten der kleinen Minderheit an kriminellen Geflüchteten geahndet werden und die integrationswillige Mehrheit unterstützt und in Arbeit und Lohn gebracht werden.

Der Bezirk darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen: Grüne Repräsentantinnen wie Ex-Bezirksbürgermeisterin Hermann und MdB Künast fordern Geld vom Senat. Der Bezirk könnte sofort mit allem starten, indem er zumindest vorfinanziert. Nach dem Jahresabschluss 2022 verfügt der Bezirk über 12,9 Mio. Ergebnisrücklagen, die er ohne besondere Zweckbindung selber sofort einsetzen könnte – ohne vom  Senat abhängig zu sein.